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Marktvolatilität
Biden und Europa auf Energie-Gratwanderung
Talha Khan
Politischer Volkswirt

Russlands militärischer Angriff auf die Ukraine ist der erste Krieg auf europäischem Boden seit Generationen und hat eine humanitäre Krise großen Ausmaßes ausgelöst, da Millionen von betroffenen Menschen Schutz suchen und aus ihren Häusern und dem Land fliehen. Die Verschärfung und Ausweitung des Konflikts ist äußerst besorgniserregend und hat verheerende Auswirkungen auf die Menschen, die von der Krise betroffen sind.


Auch größere politische Ereignisse haben in der Regel keine oder nur lokale Auswirkungen auf die Märkte. Ausnahmen sind Kriege, die einen Energiepreisschock auslösen. Ein Beispiel hierfür war der Yom-Kippur-Krieg 1973. Nach dessen Ende verhängte die OPEC unter der Führung von Saudi-Arabien ein Embargo gegen die USA und die europäischen Alliierten Israels. Die Ölpreise schossen durch die Decke und die USA waren besonders stark betroffen, weil sie anders als heute damals kaum eigenes Öl förderten.


Biden hat sich auf eine Gratwanderung begeben: Russland bestrafen und zugleich die amerikanischen Verbraucher schützen. Der Energiemarkt ist eng, und angesichts des Inflationsdrucks sowie der im Herbst bevorstehenden Zwischenwahlen könnte sich die Biden-Administration sich gezwungen sehen, den Nuklear-Deal mit dem Iran neu zu verhandeln. Mehr iranisches Öl am Markt könnte den Druck mindern. Aber auch das ist keine Dauerlösung.


Die politischen Diskussionen in Europa und den USA über die russischen Öl- und Gasimporten sind chaotisch. Die westlichen Politiker stehen unter enormem Druck. Die Inflation ist hoch und hat Auswirkungen sowohl auf die Reallöhne als auch auf die Kaufkraft. Bei der Entscheidung, die russischen Energielieferungen von den Sanktionen auszunehmen, hat das zwar eine wichtige Rolle gespielt, aber die öffentliche Meinung könnte sehr wohl ein Umdenken erzwingen. Ein europäisches Embargo auf russisches Gas oder eine Verringerung der Gaslieferungen seitens Russlands sind nicht mehr auszuschließen.


Sie scheinen der nächste logische Schritt sein, einer, den die westlichen Länder bislang gescheut haben. Am Ende werden die aktuellen Ereignisse die Energiewende in Europa beschleunigen. Und bis dahin werden die Energiepreise hoch bleiben. Diese Faktoren und Unsicherheiten werden von der Europäische Zentralbank und der US Federal Reserve sehr genau beobachtet. Vor allem achten sie darauf, ob sie zu steigenden mittelfristigen Inflationserwartungen führen. 



Talha Khan ist politischer Volkswirt bei der Capital Group, verantwortlich für den Euroraum und allgemeine weltpolitische Fragen. Er hat zwölf Jahre Investmenterfahrung ausschließlich bei Capital. Er hat einen Master in Internationaler Volkswirtschaftslehre von der London School of Economics and Political Science (LSE) und einen Bachelor in Volkswirtschaft und Politik vom Macalester College in St. Paul, Minnesota. Khan arbeitet in London.


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