Wirtschaft und Weltpolitik haben sich dieses Jahr verändert. Jahrzehntealte Selbstverständlichkeiten wie Freihandel, Globalisierung und unabhängige Notenbanken wurden infrage gestellt. Dennoch sind die Credit Spreads eng wie nie und Aktien notieren auf Allzeithochs.
Was sollen Anleiheninvestoren jetzt tun? Und wie sollen sie sich positionieren, um möglichst viel zu verdienen?
Auf dem letzten, halbjährlich stattfindenden Forum der Portfolio Strategy Group (PSG) von Capital Group haben wir versucht, all die widersprüchlichen Nachrichten zu analysieren.
Vieles ist im Wandel. Eine Entwicklung, die schon im Frühjahr begann, dürfte allerdings anhalten: die Konvergenz des Wirtschaftswachstums in den USA mit dem der übrigen Länder. Langfristig ist die Tendenz aber weniger klar. Die US-Wirtschaft profitiert zwar von KI und einer expansiven Fiskalpolitik, leidet aber unter dem nachlassenden Vertrauen ihrer Partner.
Die neuen US-Zölle und die Veränderungen im Welthandel haben noch immer massive Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Noch kennen wir nicht alle Folgen, doch dürften die Zölle auch künftig das US-Wachstum bremsen und die Inflation anheizen, weil sich die Unternehmen auf die restriktivere Handelspolitik einstellen. Das dürfte Auswirkungen auf Konsum und Investitionen haben und das amerikanische Wirtschaftswachstum schwächen. Eine Rezession ist allerdings unwahrscheinlich, weil die expansive Fiskalpolitik und die lockerere Geldpolitik einen gewissen Ausgleich schaffen.
In Europa ist das Wachstumspotenzial unterdessen besser, vor allem wegen der deutschen Sondervermögen. Die höheren Staatsausgaben in Zeiten einer stabileren Euroraum-Konjunktur könnten aber den Preisauftrieb beschleunigen, sodass die EZB ihre Leitzinsen im neuen Jahr vielleicht anhebt.
Alles zusammen spricht für ein zwar schwächeres Weltwirtschaftswachstum im neuen Jahr, aber gegen eine Rezession. In der zweiten Jahreshälfte könnte das Wachstum dann sogar wieder zunehmen.
In den letzten zwölf Monaten ermöglichten Anleihen in schwierigen Marktphasen genau die Diversifikation, die man von der Assetklasse erwartet – vor allem, weil die Kurse in Erwartung einer lockereren Geldpolitik stiegen. Und doch scheint man jetzt sehr viel stärker diversifizieren zu müssen, weil sich die Geldpolitik in den einzelnen Regionen auseinanderentwickelt und die langfristige politische Entwicklung in den USA unsicher ist. Statt also einfach nur in US-Staatsanleihen zu investieren, sollte man sich jetzt stärker an der relativen Bewertung orientieren.
Die Weltwirtschaft befindet sich an einem Wendepunkt. Vieles von dem, was in den letzten 40 Jahren oder noch länger sicher war, wandelt sich. Da das Wirtschaftswachstum konvergieren und sich die Geldpolitik auseinanderentwickeln könnte, rechnen wir mit einer Reihe interessanter Anlagechancen. Wegen der derzeitigen Unsicherheit und der hohen Bewertungen bleibt aktives Management aber wichtig. Nach wie vor richten wir unsere Portfolios defensiv aus. Wir wollen Einzelwertchancen nutzen und die Entwicklungen genau im Blick behalten.