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Investmentresearch von der Capital Group

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Konjunkturindikatoren
Konjunkturausblick: Milde Rezession, starker Aufschwung
Jared Franz
Wirtschaftswissenschaftler
Ben Zhou
Aktienanalyst
Pramod Atluri
Portfoliomanager

Die Weltwirtschaft konnte in den letzten Monaten dank robuster Konsumausgaben, eines Anstiegs der Reise- und Freizeitaktivitäten und der Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft nach pandemiebedingten Schließungen einer Rezession entgehen.


Das dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte ändern, meint Jared Franz, Ökonom bei der Capital Group, denn die Auswirkungen der hohen Zinsen, der Inflation und der Bankenkrise könnten die Welt in eine leichte Rezession stürzen.


„Meiner Ansicht nach wird das globale Wirtschaftswachstum im Gesamtjahr um etwa 1 % zurückgehen“, erklärt Franz. „Darauf dürfte 2024 ein recht robustes Wachstum folgen, angetrieben von starken Konsumausgaben und potenziell niedrigeren Zinsen in den USA und Europa.“

Mehrere Wirtschaftsindikatoren deuten auf eine Rezession in den Vereinigten Staaten hin, nicht zuletzt die inverse Renditekurve. Eine solche Kurve entsteht, wenn die Renditen kurzfristiger US-Staatsanleihen höher sind als die Renditen langfristiger Anleihen, was darauf hindeutet, dass die Anleger schwierige wirtschaftliche Zeiten erwarten.


Eine invertierte Renditekurve ging schon oft einer Rezession voraus

Quellen: Capital Group, Bloomberg Index Services Ltd., National Bureau of Economic Research, Refinitiv Datastream. Stand 25. Mai 2023.

„Die Renditekurve ist heute so stark invertiert wie seit den 1980er Jahren nicht mehr“, stellt Franz fest. „Sie hat sich von allen Rezessionsindikatoren als der genaueste erwiesen.“


Nach Schätzungen von Capital Strategy Research (CSR), dem Team für makroökonomisches Research der Capital Group, könnte das Wirtschaftswachstum in den USA um 1 % zurückgehen, in Europa stagnieren oder leicht negativ ausfallen und in China um 2 % bis 3 % steigen. Die Schätzungen von CSR liegen leicht unter den Konsensschätzungen, was vor allem auf die Ansicht zurückzuführen ist, dass die Inflation weiterhin höher als erwartet ausfallen könnte.


Im Supermarkt mag es sich nicht so anfühlen, aber die Inflation ist in den USA, Europa und auf vielen anderen Märkten auf einem Abwärtspfad. Dies ist weitgehend auf niedrigere Energiepreise, weniger Unterbrechungen der Lieferketten und aggressive Zinserhöhungen durch die Zentralbanken zurückzuführen. Zinsempfindliche Branchen wie der Wohnungsbau bekommen die Auswirkungen bereits zu spüren, da die Immobilienpreise in einigen ehemals begehrten Märkten fallen.


Der Inflationsdruck nimmt ab, doch die Inflation bleibt hoch

Quellen: Capital Group, FactSet, Bureau of Labor Statistics, Eurostat, UK Office for National Statistics, Japanese Statistics Bureau & Statistics Center, Internationaler Währungsfonds. Stand: 25. Mai 2023.

Die Zinserhöhungen zur Bekämpfung der Inflation haben auch eine Krise im Bankensektor ausgelöst. Der drastische Abverkauf auf dem Anleihemarkt im vergangenen Jahr hat die Portfolios zahlreicher regionaler Banken in Mitleidenschaft gezogen und zum Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und der Signature Bank beigetragen. In Europa griff die Krise auf die Credit Suisse über, die fast zusammenbrach, bevor UBS sich bereit erklärte, sie für mehr als 3 Mrd. USD zu kaufen.


Das nächste Problem könnten Gewerbeimmobilien sein. Die Leerstände in Büros nehmen zu, da immer mehr Unternehmen auf Geschäftsmodelle mit Heimarbeitsplätzen zurückgreifen. Gleichzeitig ist es schwieriger geworden, Kredite für Gewerbeimmobilien zu refinanzieren, die zu Zeiten niedrigerer Zinsen aufgenommen wurden. Für Banken mit einem hohen Anteil an Gewerbeimmobilienkrediten könnte dies eine wachsende Bedrohung darstellen.


„Büro- und Einzelhandelsimmobilien scheinen das größte Problem zu sein“, so Ben Zhou, ein Analyst der Capital Group, der sich mit Real Estate Investment Trusts beschäftigt.


Zinsausblick


Angesichts dieser zunehmenden Risiken hat sich der Zinsausblick seit Anfang März, als die Bankenkrise ihren Anfang nahm, drastisch verändert. Wie die nachstehende Grafik zeigt, gehen die Anleger nicht mehr davon aus, dass die US-Notenbank die Zinssätze so weit oder so schnell anheben wird wie zuvor erwartet, was vor allem auf die restriktivere Kreditvergabe infolge der Bankenturbulenzen zurückzuführen ist.


„Wir wussten, dass eine der aggressivsten Straffungskampagnen der Geschichte Folgen haben würde“, so Pramod Atluri, Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere. „Die Verwerfungen, die wir an den Finanzmärkten beobachten, läuten für die Fed eine schwierige Phase ein. Sie hat eindeutig einige Schwachstellen aufgedeckt, und deshalb glaube ich, dass wir uns dem Ende dieses Zinserhöhungszyklus nähern."


Auch die Europäische Zentralbank hat das Tempo bei der Anhebung der Zinssätze gedrosselt – von zuvor 50 Basispunkten auf 25 Basispunkte bei ihrer Sitzung am 4. Mai. Bislang haben die EZB-Vertreter keine Bereitschaft signalisiert, eine Pause einzulegen, da die Inflation in Europa deutlich höher ist als in den Vereinigten Staaten.


Anleger erwarten in den kommenden Monaten einen Rückgang der Zinssätze

Quellen: Capital Group, Bloomberg Index Services Ltd., Refinitiv Datastream, U.S. Federal Reserve. Der Leitzins der Fed entspricht dem maximalen vom Federal Open Markets Committee (FOMC) festgelegten Overnight-Zinssatz für Interbankkredite unter US-Banken. Der vom Markt erwartete Zinssatz basiert auf den Kursen am Fed-Funds-Futures-Markt, an dem Anleger über die Höhe der Zinssätze zu einem zukünftigen Zeitpunkt spekulieren können. Stand 26. Mai 2023.

Selbst in den USA liegt der Anstieg der Verbraucherpreise weit über dem 2 %-Ziel der Fed. Und es mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Inflation im Bereich von 4 % bis 5 % hartnäckiger sein könnte, als von den Zentralbanken angenommen. Am 26. Mai meldete die US-Regierung, dass die Kerninflation im April im Jahresvergleich um 4,7 % gestiegen ist, gegenüber 4,6 % im Vormonat.


Eine wichtige Frage mit Blick auf die Zukunft ist: Werden die Fed und andere Zentralbanken bereit sein, die Inflation noch eine Weile laufen zu lassen? Oder werden sie beschließen, dass es wichtiger ist, die Preise unter Kontrolle zu bringen, indem sie die Zinsen über den Markterwartungen halten?


„Die Zentralbanken befinden sich in einer schwierigen Lage, um die ich sie nicht beneide“, so Franz. „Meiner Meinung nach wird die Fed ihre Zinserhöhungskampagne unterbrechen, um den Schaden der Bankenkrise zu bewerten, und sie könnte sogar bis zum Ende des Jahres mit Zinssenkungen beginnen.“



Jared Franz ist Volkswirt bei der Capital Group und für die USA und Lateinamerika verantwortlich. Er hat 16 Jahre Investmenterfahrung und ist seit sieben Jahren bei der Capital Group. Er hat an der University of Illinois in Chicago in Wirtschaftswissenschaften promoviert und einen Bachelorabschluss in Mathematik an der Northwestern University erworben. Er ist außerdem Mitglied des Forecasters Club of New York und der National Association of Business Economics. Jared arbeitet in Los Angeles.

Ben Zhou ist Aktienanalyst bei der Capital Group mit Research-Verantwortung für REITs in den USA und Tabak weltweit. Er hat sechs Jahre Investmenterfahrung und ist seit vier Jahren bei der Capital Group. Vor seinem Eintritt bei Capital arbeitete er als Private-Equity-Analyst bei Castanea Partners.

Pramod Atluri ist ein Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere mit 22 Jahren Branchenerfahrung. Er verfügt über einen MBA der Harvard Business School und einen Bachelor-Abschluss in biologischer Chemie von der University of Chicago, wo er auch die Voraussetzungen für die Bachelor-Abschlüsse in Wirtschaft und Chemie erfüllte. Er ist CFA-Charterholder.

 


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