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Prognose für 2023: Lokalwährungsrenditen der Schwellenmärkte bieten Schutz in volatiler Umgebung
Kirstie Spence
Portfoliomanagerin
Harry Phinney
Investment Director für Anleihen

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2023-Bericht

Globale Situation befeuert Schwellenmärkte


Die makroökonomischen Rahmenbedingungen waren 2022 der größte Treiber für die Renditen von Schwellenländeranleihen – ein Trend, der sich auch 2023 fortsetzen wird. Darunter gibt es drei Haupttriebkräfte: schärfere Finanzierungsbedingungen in den USA, ein stärkerer US-Dollar und schwaches Weltwirtschaftswachstum. 


1.  US-Finanzierungsbedingungen


Die US-Finanzierungsbedingungen (die Einfachheit des Zugangs zu Finanzierungen für Unternehmen und Privathaushalte) haben sich im Jahr 2022 deutlich verschärft. Gleichzeitig gab es den schnellsten und stärksten Anstieg der Zinssätze in den USA seit den frühen 1980er Jahren. Laut Aussagen der US-Notenbank Fed kann mit weiteren Erhöhungen des Zinssatzes gerechnet werden, was zu einer weiteren Verschärfung führen könnte. 


Eine Verschärfung der Finanzierungsbedingungen in den USA wirkt sich direkt auf die Verschuldung der Schwellenländer aus, da die Zinssätze für auf US-Dollar lautende Schulden steigen. Der Unterschied bei den Realzinsen (der Zinssatz, den die Anleger nach Berücksichtigung der Inflation erhalten), den die Schwellenländer im Vergleich zu den Industrieländern bieten, ist jedoch nach wie vor positiv und im Vergleich zu anderen Anlageklassen attraktiv. Dieser Umstand sollte dabei helfen, die Auswirkung schärferer US-Finanzierungsbedingungen abzumildern. 


Die Realrenditen in Schwellenmärkten lagen 2–4 % über denen der USA

Realrendite in Schwellenmärkten minus US-Realrenditen

Die Ergebnisse der Vergangenheit sind keine Garantie für künftige Ergebnisse.

Stand: 30. Oktober 2022. Schwellenmärkte, dargestellt durch JPMorgan GBI-EM Global Diversified. Realrenditen in Schwellenmärkten minus US-Realrenditen (10-Jahresrendite). Quelle: Bloomberg

2.  Der US-Dollar


Ein weiterer wichtiger Faktor für die Entwicklung der Schwellenländerverschuldung im Jahr 2022 war die anhaltende Stärke des US-Dollars, die die Verluste der Schwellenländerverschuldung in lokaler Währung noch vergrößert und die externen Finanzierungskosten der Schwellenländer erhöht hat.


Trotz der scheinbar überzogenen Bewertungen ist eine Umkehr dieses Trends unwahrscheinlich, solange wir kein Ende der geldpolitischen Straffung in den USA, keine positiven Nachrichten aus dem Russland/Ukraine-Konflikt – was die Energiekrise entschärfen und die makroökonomischen Aussichten Europas verbessern würde – oder keine Impulse aus China sehen. Sobald sich aber diese drei Faktoren zu ändern beginnen, rechnen wir mit einer heftigen Devisenmarktreaktion. Der Dollar könnte dann sehr schnell nachgeben, zumal er – wie gesagt – sehr hoch bewertet ist.


3. Weltwirtschaftswachstum 


Das Weltwirtschaftswachstum hat sich aufgrund schnellerer Zinserhöhungen, Inflationsdruck und des Russland/Ukraine-Konflikts stark verlangsamt, was wiederum Druck auf Lieferketten und Rohstoffpreise ausgeübt hat. Mit dem Eintritt in eine spätere Phase des Zinserhöhungszyklus der Fed im Jahr 2023 wird sich die Aufmerksamkeit der Märkte wahrscheinlich noch stärker auf das Wachstum und insbesondere auf die Risiken einer Rezession in den USA richten.


Das Ende der Null-COVID-Politik in China könnte das globale und regionale Wachstum rechtzeitig ankurbeln, aber es ist unwahrscheinlich, dass es der Motor zum Antrieb der Schwellenländer- und Rohstoffpreise sein wird, da das chinesische Wachstumsmodell zunehmend an seine Grenzen stößt und der geopolitische Druck zur De-Globalisierung zunimmt.


Der Hauptauslöser für eine Richtungsänderung der derzeit eher trüben Prognosen wäre eine De-Eskalation des Russland/Ukraine-Konflikts. Je näher das Jahresende rückt, desto unwahrscheinlicher erscheint dies Möglichkeit jedoch. 


Investitionen in Schwellenländeranleihen im aktuellen Umfeld


Wir sehen Chancen sowohl bei Schwellenländeranleihen in lokaler Währung als auch bei einigen renditestärkeren Staatsanleihen sowie bei Unternehmensanleihen aus Schwellenländern. 


Lokalwährungsanleihen – Lateinamerika bevorzugt


Die Lokalwährungsanleihen der Schwellenländer haben sich im Jahr 2022 bisher relativ gut gehalten, mit einem Rückgang von weniger als 12 % in Lokalwährung und knapp 20 % in US-Dollar1, was auf den starken US-Dollar zurückzuführen ist. Neben dem Dollar haben die Schwellenländer-Wechselkurse im Jahr 2022 die meisten anderen Währungen aus Industrieländern übertroffen. Dies lässt sich teilweise auf das proaktive Engagement der Zentralbanken der Schwellenländer zurückführen, die die Zinssätze zur Inflationskontrolle schon früh angehoben haben.


Zwar könnte es zu einer weiteren Abschwächung kommen, wenn sich die globalen Umstände im Jahr 2023 weiterhin nicht bessern, jedoch sind die Renditen der Schwellenländer bereits relativ hoch, während die Wechselkurse der Schwellenländer derzeit relativ günstig sind. Hohe Anfangsrenditen können dazu beitragen, die spätere Preisvolatilität auszugleichen. Die Abbildung unten zeigt, dass die Zweijahreserträge in der Vergangenheit bei Renditen von mindestens 6,7 % positiv waren.


Wir sehen derzeit, dass die die Zinssätze in den wichtigsten Länder Lateinamerikas, wie etwa Brasilien, Mexiko und Kolumbien, angehoben wurden. Dies diente zur Inflationskontrolle und zum Stützen des Wechselkurses. Hinzu kommt, dass lateinamerikanische Länder sehr von den steigenden Rohstoffpreisen profitiert haben und weniger von den Folgen des Ukrainekrieges betroffen waren.


Schwellenmarktrenditen als möglicher Indikator für attraktiven Einstiegszeitpunkt

Mittelfristig (über 2 Jahre) erwarteter Ertrag bei Anstieg der EM-Renditen auf über 6,7 %

Die Ergebnisse der Vergangenheit sind keine Garantie für künftige Ergebnisse.

Stand: 30. Oktober 2022, in USD. Die angegebenen YTW (Yield-To-Worst) und zukünftigen Renditen beziehen sich auf 50 % JPMorgan EMBI Global Diversified Index / 50 % JPMorgan GBI-EM Global Diversified Index. Abruftermine für >6,7 % Rendite sind ausgewiesen: 31.05.10, 28.02.11, 30.8.13, 31.01.14, 30.09.15 und 31.12.15. Erwartete Erträge auf Grundlage der annualisierten Erträge. Quellen: Bloomberg, JPMorgan, Morningstar 

Asien hinkt hinter dem Zinserhöhungszyklus der Schwellenländer hinterher

Änderungen des Leitzinses

Stand: 30. Oktober 2022. Quellen: Bloomberg, CEIC, Refinitiv

Auch in Mitteleuropa sind Chancen in Sicht. Die jahrelange Niedrigzinsphase geht hier zu Ende. In der gesamten Region haben die Zentralbanken ihre Leitzinsen deutlich erhöht, um die Inflation zu bekämpfen. Sowohl die Tschechische Republik als auch Polen haben ihre Zinssätze in letzter Zeit stabil gehalten2 und es lässt vermuten, dass die Anstiegsphase nun beendet ist.


In Bezug auf Asien bleiben wir weiterhin vorsichtig, da die Region hinsichtlich der Verschärfung der Zinssätze immer noch einige Monate hinter Lateinamerika zurückbleibt. Chinas niedrige Rendite scheint vor dem Hintergrund seiner verlängerten Null-Covid-Strategie trotz anhaltender finanz- und geldpolitischer Lockerung eher gerechtfertigt zu sein als die im übrigen Asien.


Auslandsverschuldung – Chancen bei renditestarken Krediten


Viele der entwickelteren Schwellenländerkredite scheinen trotz des derzeitigen Umfelds im Grunde solide zu sein. Diese Länder gelten im Allgemeinen als weniger abhängig von ausländischen Krediten als in vorherigen Volatilitätsperioden. Sie haben die Laufzeiten ihrer Anleihen verlängert. Darüber hinaus ist der ausländische Besitz von Anleihen in Landeswährung weitgehend zurückgegangen, was das Risiko einer plötzlichen Umkehrung der Kapitalströme verringern dürfte.


Ein Großteil dieser positiven Aussichten ist jedoch bereits in den Anleihen eingepreist und wir sehen im renditestärkeren Teil der Anlageklasse überzeugendere Möglichkeiten. Wir sehen Potenzial in einigen ausfallgefährdeten oder quasi ausfallgefährdeten Krediten, bei denen viele der Schwierigkeiten bereits eingepreist sind, wie z. B. in Tunesien und in geringerem Maße auch in Äthiopien. Uns gefallen auch einige als sicherer geltende Anleihen mit höheren Renditen, deren Spreads sich im Zuge des allgemeinen Ausverkaufs ausgeweitet haben, wie beispielsweise die Dominikanische Republik, Honduras, Senegal und Angola sowie einige hochverzinsliche Schwellenländeranleihen mit Zugang zu externer Finanzierung wie Ägypten.


Schwellenländer-Unternehmensanleihen – Renditeanstieg gegenüber Industrieländern und Diversifizierungsvorteile


Die Fundamentaldaten von Schwellenländerunternehmen scheinen im Vergleich zu Unternehmen in Industrieländern besser dazustehen, da die Finanzvorstände von Schwellenländer-Unternehmen im Vergleich zu Industrieländer-Unternehmen einen vorsichtigeren Ansatz bei der Kreditaufnahme gewählt haben. Sieht man von problematischen Bereichen des chinesischen Immobilienmarktes sowie von russischen und ukrainischen Emittenten ab, so liegt die Ausfallquote von Schwellenländer-Unternehmen seit Jahresbeginn bei nur 1,2 %3.


Abgesehen von der Ausweitung der Spreads im Vergleich zu einer gleichwertigen Nicht-Schwellenländeranleihe mit gleicher Laufzeit und gleichem Rating unterscheiden sich die geografische Verteilung und die Risikostruktur von Unternehmensanleihen aus Schwellenländern deutlich von denen staatlicher Emittenten und bieten somit ein Element der Diversifizierung. Kürzere Laufzeiten von Investment-Grade-Anleihen innerhalb der Unternehmenswelt können eine defensivere Positionierung bieten. Diese Anleihen haben sich in Zeiten hoher Volatilität als äußerst widerstandsfähig erwiesen.


Fazit


Die globale Situation bleibt weiterhin einer der zentralen Dämpfer für Schwellenländeranleihen und die Volatilität setzt sich mit großer Wahrscheinlichkeit im Jahr 2023 fort. Allerdings haben sich die Bewertungen deutlich verbessert. Die Schwellenländeranleihen scheinen darüber hinaus nun die bekannten Risiken einzupreisen und könnten daher ein attraktives Renditepotenzial für forschungsorientierte, langfristige Anleger bieten. Wir sehen Chancen in ausgewählten renditestärkeren Staats- und Unternehmensanleihen in harter Währung sowie in bestimmten Ländern mit lokaler Währung, die hinsichtlich ihrer Geldpolitik proaktiv reagiert haben.


1 Stand: 21. November 2022. Quelle: JPMorgan GBI-EM Global Diversified Index


2. Stand Sitzung zur Tschechischen Republik vom 3. November 2022. Stand Polen: 9. November Quellen: Tschechische Nationalbank, Polnische Nationalbank


3. Stand: 11. Oktober 2022. Quelle: JPMorgan



Kirstie Spence ist eine Portfoliomanagerin für Anleihen mit 27 Jahren Investmenterfahrung. Sie hat einen Master-Abschluss mit Auszeichnung in Deutsch und internationalen Beziehungen von der University of St. Andrews, Schottland.

Harry Phinney ist ein Fixed Income Investment Director mit 14 Jahren Branchenerfahrung (Stand: 31.12.19). Er hat einen MBA in International Business von der Northeastern University, einen Master in angewandter Statistik und Finanzmathematik von der Columbia University und einen Bachelor in internationaler politischer Ökonomie von der Northeastern University.


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