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Inflation
US-Inflation: Vorübergehend oder problematisch?
Pramod Atluri
Portfoliomanager
Ritchie Tuazon
Portfoliomanager für festverzinsliche Anlagen

Anleger waren in den vergangenen 30 Jahren mit allen möglichen Ängsten konfrontiert – eine hohe Inflation allerdings gehörte nicht dazu. Das hat sich im Jahr 2021 geändert.


Heute drehen sich die wichtigsten Fragen der Anleger um die Inflation: Wie hoch wird sie steigen und wie lange wird sie anhalten? Handelt es sich, wie die Federal Reserve behauptet, um ein „vorübergehendes“ Phänomen? Oder ist eine hohe Inflation angesichts von Arbeitskräftemangel, Engpässen in der Lieferkette und einer schweren Energiekrise die neue Normalität?


Der ungewisse Verlauf der Pandemie erschwert die Einschätzung der kurzfristigen Bedingungen, aber langfristig wird das Bild klarer, erklärt Pramod Atluri.


„Aktuell haben wir es mit einem zyklischen Anstieg der Inflation und der Zinssätze zu tun, aber wenn ich fünf Jahre vorausschaue, wird das Wirtschaftswachstum in den USA schwächer sein und die Inflation möglicherweise niedriger“, so Atluri. Das Wirtschaftswachstum dürfte sich aufgrund der hohen Verschuldung und der nachlassenden konjunkturellen Anreize verlangsamen. Das BIP-Wachstum dürfte sich dann wieder zwischen 1,5 und 2,5 % pro Jahr einpendeln. Folglich dürften auch die Zinsen relativ niedrig bleiben.


„In der Zwischenzeit konzentrieren wir uns voll und ganz auf die Inflation, denn das ist auf kurze Sicht das größte Risiko für die Portfolios der Anleger“, erläutert Atluri. „Wenn wir uns in Bezug auf die Inflation irren, dann irren wir uns auch im Hinblick auf den Aufwärtstrend, sodass es sinnvoll ist, eine entsprechende Absicherung aufzubauen.“


 


Zwei Arten der Inflation: Rigide und flexibel


Eine Quelle der Unsicherheit ist heute die Tatsache, dass es zwei verschiedene Arten von Inflation gibt: „rigide“ und „flexibel“. Die rigide Inflation, die derzeit bei 2,6 % auf Jahresbasis liegt, ist tendenziell länger anhaltend. Zu den rigiden Kategorien gehören Mieten, die kalkulatorische Miete für selbstgenutztes Wohneigentum, Versicherungs- und Krankheitskosten.


Die flexible Inflation ist in diesem Jahr auf nahezu 14 % gestiegen – der höchste Stand seit den 1970er Jahren. Dieses Niveau der Inflation wird jedoch wahrscheinlich nicht von Dauer sein. Die flexible Kategorie umfasst Produkte wie Lebensmittel, Energie und Autos, bei denen sich die Preise im Laufe der Zeit deutlich nach oben oder unten bewegen können. Das ist zum Beispiel bei Bauholz, Kupfer und Sojabohnen bereits geschehen. Die Preise für diese Produkte waren in diesem Sommer in die Höhe geschossen, sind aber inzwischen wieder gesunken.


 


Gefahren der rigiden Inflation


Jeder, der schon einmal versucht hat, ein gebrauchtes Auto zu kaufen, weiß, dass die pandemiebedingten Engpässe, der Mangel an verfügbaren Arbeitskräften und die Störungen in der Lieferkette die Preise in den flexiblen Kategorien in die Höhe getrieben haben. Eine schnelle Lösung dieser Probleme ist unwahrscheinlich. Die Bedingungen dürften sich jedoch bis Mitte oder Ende 2022 normalisieren, so Ritchie Tuazon.


„Das bedeutet, dass das Risiko für einen Anstieg aus den rigiden Komponenten herrührt“, sagt Tuazon. „In vielen der flexiblen Preiskategorien kam es aus vorübergehenden Gründen zu einem Anstieg, allerdings könnte die Inflation in diesen Bereichen wieder auf Null sinken oder sich sogar in den negativen Bereich bewegen. Die rigiden Komponenten werden die Inflation im Jahr 2022 antreiben, und das müssen die Anleger im Auge behalten.“


Kurz gesagt, die flexible Inflation ist vorübergehend, aber eine rigide Inflation könnte problematisch werden.


Nach Einschätzung von Tuazon dürfte die am US-Verbraucherpreisindex gemessene Gesamtinflation in den kommenden Monaten allmählich zurückgehen und bis Ende 2022 auf eine Spanne von 2,50 % bis 2,75 % sinken.


Wenn diese Prognose Bestand hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Federal Reserve die Zinsen im Jahr 2022 nicht anheben wird. Tuazon geht davon aus, dass die Fed im November offiziell ankündigen wird, dass sie mit der Reduzierung ihres Anleihekaufprogramms beginnen wird. Dieser Prozess wird sich über mehrere Quartale hinziehen. Und die erste Zinserhöhung der Fed wird im Jahr 2023 erfolgen, also später als vom Markt erwartet.


„Ich glaube nicht, dass die Fed es eilig haben wird, die Zinsen zu erhöhen und damit möglicherweise riskiert, die Erholung nach der COVID-Krise zu gefährden, wenn sich die Inflation in Grenzen hält“, erklärt Tuazon.


Aber was ist, wenn sich diese günstigen Prognosen für die Inflation als falsch erweisen und die Verbraucherpreise drastisch ansteigen?


„Das ist zwar keinesfalls unser Basisszenario, aber ich halte dieses Risiko für groß genug, um es bei der Zusammenstellung des Portfolios zu berücksichtigen“, fügt Tuazon hinzu. Er bevorzugt inflationsgeschützte Schatzanweisungen (Treasury Inflation-Protected Securities, TIPS) als wirksame Absicherung gegen eine höhere Inflation.


Auswirkungen auf Anlagen


Nach Ansicht von Tuazon und Atluri könnten einige TIPS in einem US-Anleihenportfolio mit Blick auf das Jahr 2022 eine sinnvolle Ergänzung sein. Was die Aktien anbelangt, gibt es ein paar Faustregeln zu beachten. In der Vergangenheit haben höhere Preise Rohstoffe, Sektoren, die von höheren Zinsen profitieren (z. B. Banken) und Unternehmen mit Preissetzungsmacht in „Must-have“-Kategorien wie Halbleitern und beliebten Verbrauchermarken begünstigt.


Im Vorfeld von Portfolioanpassungen darf man nicht außer Acht lassen, dass anhaltende Phasen hoher Inflation in der Geschichte der USA selten sind. Menschen im entsprechenden Alter werden sich an die ultrahohe Inflation der 1970er und frühen 1980er Jahre erinnern. Aber im Nachhinein ist klar, dass diese Phase einzigartig war. Deflationäre Tendenzen waren in der Tat oft schwieriger zu bändigen, wie jeder, der sich mit der Großen Depression beschäftigt hat, bestätigen kann.


In den vergangenen 100 Jahren lag die Inflation in den USA die meiste Zeit unter 5 %. In jüngster Zeit, nach der weltweiten Finanzkrise 2007–2009, tat sich die Inflation schwer, dauerhaft 2 % zu erreichen. Und das trotz der beispiellosen Impulse, die von der Fed eingesetzt werden, um ihr 2 %-Ziel zu erreichen.


Ein weiterer wichtiger Punkt: Vor allem bei den Extremen – wenn die Inflation 6 % oder mehr beträgt – geraten die Finanzwerte in Schwierigkeiten. Aktien geraten auch unter Druck, wenn sich die Inflation in den negativen Bereich bewegt.


Eine gewisse Inflation kann für Anleger durchaus von Nutzen sein. Selbst in Zeiten höherer Inflation haben US-Aktien und US-Anleihen im Allgemeinen solide Renditen erzielt, wie die nachstehende Grafik zeigt.



Pramod Atluri ist ein Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere mit 22 Jahren Branchenerfahrung. Er verfügt über einen MBA der Harvard Business School und einen Bachelor-Abschluss in biologischer Chemie von der University of Chicago, wo er auch die Voraussetzungen für die Bachelor-Abschlüsse in Wirtschaft und Chemie erfüllte. Er ist CFA-Charterholder.

 

Ritchie Tuazon ist Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere mit 20 Jahren Branchenerfahrung. Er hat einen MBA vom MIT sowie einen Master in öffentlicher Verwaltung von Harvard und einen Bachelor-Abschluss von der University of California, Berkeley.




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